Inhaltsverzeichnis
Berlin (EB)
Ordnung für die Erteilung der Missio canonica und der Kirchlichen Bevollmächtigung an Lehrkräfte für den Katholischen Religionsunterricht in den (Erz-) Diözesen Berlin, Hamburg, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz, Magdeburg (Missio canonica Ordnung)
Präambel:
Die Missio canonica als kirchlicher Auftrag und Bestärkung für Religionslehrkräfte
Die Missio canonica (kirchliche Bevollmächtigung) und die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung für die Zeit des Vorbereitungsdienstes sind kirchliche Sendung, Auftrag und Rückhalt für die Religionslehrkräfte zur Erteilung des katholischen Religionsunterrichts im Rahmen des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags. In dieser Sendung der Religionslehrkräfte wird die grundgesetzliche Konstruktion gemäß Artikel 7 Absatz 3 GG des katholischen Religionsunterrichts als sogenannte „res mixta“ konkret und sie ist Teil der gemeinsam wahrgenommenen Verantwortung von Staat und katholischer Kirche für das Fach. Im Rahmen dieser gemeinsamen Verantwortung setzen die Bundesländer nur solche Lehrkräfte im katholischen Religionsunterricht ein, die – wie die Lehrkräfte aller Fächer – für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten und vom Ortsordinarius zur Erteilung des Religionsunterrichts im Namen der Kirche bevollmächtigt werden. Die Bevollmächtigung ist auch kirchenrechtlich geregelt.1
Der katholische Religionsunterricht hat aus kirchlicher Perspektive drei wesentliche Aufgaben:
1. „Vermittlung von strukturiertem und lebensbedeutsamem Grundwissen über den Glauben der Kirche“2 – Die Wissensvermittlung setzt dieses im Studium der Theologie vermittelte Grundwissen bei den Religionslehrkräften voraus sowie die Kompetenz, dieses Wissen mit Bezug zur Lebensrealität der Menschen heute zu reflektieren;
2. „Reflexive Erschließung von Formen gelebten Glaubens“3 – die reflexive Erschließung erfordert persönliches Vertrautsein mit Formen gelebten Glaubens bei den Religionslehrkräften;
3. „Förderung religiöser Dialog- und Urteilsfähigkeit“4 – Voraussetzung ist eine religiös verortete und dialogfähige Persönlichkeit, die als Religionslehrkraft das Wechselspiel von Fragen, Zweifeln und Vertrauen als Lernweg des Glaubens wahrnimmt und auch vermittelt.
Daher setzt die Berufstätigkeit als Religionslehrkraft neben der theologischen und pädagogischen Befähigung, die durch das Theologie- und Pädagogikstudium sowie durch den anschließenden Vorbereitungsdienst erworben werden, die volle Eingliederung in die katholische Kirche durch die Initiationssakramente Taufe, Firmung und Eucharistie5 und die Bereitschaft voraus, „in der Kirche die Kommunikationsbasis für [ihr bzw.] sein Glaubensleben [zu suchen]“6. Im Sinne der Zielsetzung des katholischen Religionsunterrichts, Schülerinnen und Schüler zu verantwortlichem Denken und Handeln im Hinblick auf Glauben und Religion zu befähigen, gehört zur Profession von Religionslehrkräften auch die Bereitschaft, den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche zu erteilen. Grundlagen dazu sind das Glaubensbekenntnis der katholischen Kirche, die apostolische Überlieferung7 und das Prinzip der „Hierarchie der Wahrheiten“8.
Damit besteht eine hohe Bindung an die Gemeinschaft der katholischen Kirche. Doch „die Bindung an die Kirche kann […] nicht die Verpflichtung auf ein verklärtes, theologisch überhöhtes Idealbild der Kirche beinhalten. Die Spannung zwischen Anspruch und Realität, zwischen der Botschaft Jesu Christi und der tatsächlichen Erscheinungsweise seiner Kirche, zwischen Ursprung und Gegenwart, darf nicht verharmlost und schon gar nicht ausgeklammert werden. Liebe zur Kirche und kritische Distanz müssen einander nicht ausschließen“9. Aus diesem Grund sollen sich Religionslehrkräfte im Sinne einer kritischen Loyalität zu kontrovers diskutierten kirchlichen Themen auch im Unterricht theologisch begründet positionieren und so zu einer lebendigen Kirche beitragen, die um die Nachfolge Jesu Christi in der Welt von heute ringt und unter dem Beistand des Heiligen Geistes fortschreitet.10 Rechtgläubigkeit im Sinne von can. 804 § 2 CIC schließt theologisch begründete Kritik und Zweifel nicht aus. Gleichzeitig bedarf es innerhalb der weltanschaulich pluralen Gesellschaft einer glaubwürdigen Positionierung der eigenen Religiosität in dem Bewusstsein, dass es sich hierbei immer um eine lebenslange Aufgabe handelt. Katholische Religionslehrkräfte sind als katholische Lehrkräfte gerade auch dann erkennbar, wenn sie konfessionsbewusst und differenzsensibel katholischen Religionsunterricht kooperativ in ökumenischem Geist erteilen.11
Da der Religionsunterricht ein ordentliches Unterrichtsfach ist, gelten für ihn wie für jedes andere Fach die Grundregeln schulischen Lernens:
1. Ziel des Unterrichts ist die Ermöglichung eines selbstständigen Urteils der Schülerinnen und Schüler, weshalb jede Form der Indoktrinierung zu vermeiden ist. Dieses Ziel verfolgt auch der katholische Religionsunterricht, denn er soll Schülerinnen und Schüler „zu verantwortlichem Denken und Verhalten im Hinblick auf Religion und Glaube befähigen“12.
2. Diesem Ziel dient das Kontroversitätsgebot für den schulischen Unterricht; nach diesem Prinzip muss das, was in Wissenschaft und Gesellschaft kontrovers ist, auch im Unterricht kontrovers behandelt werden. In der Theologie und im Leben der Kirche gibt es eine legitime Pluralität von Überzeugungen, die im Religionsunterricht zur Sprache kommen sollen. Denn wenn unterschiedliche Standpunkte und deren theologische Begründungen unerörtert blieben, widerspräche dies seiner oben genannten Zielsetzung und der intendierten Förderung der Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler.
3. Mit dieser Zielsetzung entspricht der Religionsunterricht zugleich der dritten Grundregel, dem schulischen Gebot der Subjekt- bzw. Schülerorientierung, die auch theologisch begründet ist; denn es ist Aufgabe der katholischen Kirche, „in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort [zu] geben“13.
Die Beachtung dieser Grundsätze schulischer Bildung und der Bekenntnischarakter des Religionsunterrichts widersprechen sich nicht; denn der Bekenntnischarakter des Faches nach Artikel 7 Absatz 3 GG setzt voraus, dass die Religionslehrkräfte das Fach „nicht nur in der Beobachterperspektive über den Glauben“ erteilen, sondern dies „auch in der Teilnehmerperspektive vom Glauben“ tun.14 Das schließt die Teilnahme am Leben der Kirche und ihrem Ringen um die Frage ein, was Nachfolge Christi heute bedeutet.
Mit der kirchlichen Beauftragung ist die Erwartung verbunden, dass Religionslehrkräfte ein „Zeugnis christlichen Lebens“ (can. 804 § 2) in Schule und Unterricht geben. Wie wichtig diese Zeugenschaft ist, hat schon Papst Paul VI. festgestellt: „Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind.“15 Religionslehrkräfte sollen ihren persönlichen Glauben und ihre Glaubenserfahrungen didaktisch und methodisch reflektiert in das Unterrichtsgeschehen einbringen. Für Schülerinnen und Schüler, Eltern, Kolleginnen und Kollegen sind sie auch außerhalb des Unterrichts Ansprechpartnerinnen und -partner in oft sehr persönlichen Glaubens- und Lebensfragen. Nicht selten sehen sie sich auch durch Kritik an Glaube und Kirche zu einer persönlichen Stellungnahme herausgefordert. Ihr Zeugnis zeigt sich aber auch im täglichen Umgang mit den Schülerinnen und Schülern, den Kolleginnen und Kollegen, den Eltern, der Schulleitung und nicht zuletzt in der Mitverantwortung für die Gestaltung des Schullebens. Zu einem solchen Zeugnis christlichen Lebens sind alle Religionslehrkräfte aufgefordert, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrer persönlichen Lebenssituation, ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Mit dem Zeugnis christlichen Lebens unvereinbar sind Handlungen, die öffentlich wahrnehmbar sind und sich gegen die Kirche oder deren Werteordnung richten.16
Der Beruf der Religionslehrkraft ist anspruchsvoll und herausfordernd. Mit der Erteilung der Missio canonica wollen die Bischöfe die Religionslehrkräfte ermutigen, diese Herausforderungen anzunehmen. Die Missio canonica ist vor allem eine Vertrauenserklärung, die mit der Zusage verbunden ist, dass die Kirche die Religionslehrkräfte begleitet und unterstützt. Die folgende Verfahrensordnung ist im Sinne dieser Präambel zu interpretieren. Sie dient als Grundlage für die Entwicklung diözesaner Ordnungen, damit die Missio canonica und die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung nach vergleichbaren Kriterien erteilt und von den Diözesen wechselseitig anerkannt werden.
Anmerkungen:
1 Vgl. can. 804 § 2: „Der Ortsordinarius hat darum bemüht zu sein, dass sich diejenigen, die zu Religionslehrern in den Schulen, auch den nichtkatholischen, bestellt werden sollen, durch Rechtgläubigkeit, durch das Zeugnis christlichen Lebens und durch pädagogisches Geschick auszeichnen.“ Can. 805: „Der Ortsordinarius hat für seine Diözese das Recht, die Religionslehrer zu ernennen bzw. zu approbieren und sie, wenn es aus religiösen oder sittlichen Gründen erforderlich ist, abzuberufen bzw. ihre Abberufung zu fordern.“
2 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen. Die deutschen Bischöfe Nr. 80 (Bonn 62017), S. 19.
3 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts. Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht. Die deutschen Bischöfe Nr. 103 (Bonn 2016), S. 13.
4 Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, a. a. O., S. 19.
5 Vgl. can. 842 § 2.
6 Der Religionsunterricht in der Schule (1974), 2.8.4, in: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland – Offizielle Gesamtausgabe (Freiburg i. Br. 2012), S. 147.
7 Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei verbum über die göttliche Offenbarung (1965), 8.
8 Vgl. Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts, a. a. O., S. 29 (mit Bezug zum Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio: Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio über den Ökumenismus (1964), 11).
9 Der Religionsunterricht in der Schule (1974), 2.8.5, a. a. O., S. 148.
10 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei verbum über die göttliche Offenbarung (1965), 8.
11 Vgl. Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts, a. a. O., S. 33. – „Übereinstimmung besteht darin, dass konfessioneller Religionsunterricht immer auch in ökumenischem Geist erteilt wird.“ Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz und Kirchenamt der EKD (Hg.): Deutsche Bischofskonferenz und Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Zur Kooperation von Evangelischem und Katholischem Religionsunterricht (Bonn – Hannover 1998).
12 Der Religionsunterricht in der Schule (1974), 2.5.1., a. a. O., S 139 f.
13 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution Gaudium et spes über die Kirche in der Welt von heute (1965), 4.
14 Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, a. a. O., S. 38.
15 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Texte zu Katechese und Religionsunterricht. Arbeitshilfen Nr. 66 (Bonn 1998), S. 29.
16 Hierzu zählen insbesondere: - das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. die Propagierung von Abtreibung oder von Fremdenhass), - die Herabwürdigung von katholischen Glaubensinhalten, Riten oder Gebräuchen, - die Propagierung von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen, die im Widerspruch zu katholischen Glaubensinhalten stehen, insbesondere die Werbung für andere Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften.
§ 1 Erfordernis der kirchlichen Bevollmächtigung
(1) Zur Erteilung von katholischem Religionsunterricht bedarf die Religionslehrkraft einer dauerhaft erteilten kirchlichen Bevollmächtigung (Missio canonica).
(2) Wer sich in einem staatlichen oder kirchlichen Ausbildungsverhältnis darauf vorbereitet, selbstständig katholischen Religionsunterricht zu erteilen, benötigt für den im Rahmen dieses Ausbildungsverhältnisses erteilten katholischen Religionsunterricht eine vorläufige kirchliche Bevollmächtigung.
(3) Die Regelungen des weltlichen Rechts über die fachliche und pädagogische Qualifikation der Religionslehrkräfte bleiben unberührt.
§ 2 Zuständigkeiten; Reichweite der Missio canonica
(1) Zuständig für die Erteilung der Missio canonica ist der Ortsordinarius der (Erz-)Diözese, in der die Religionslehrkraft Religionsunterricht erteilt (can. 805 CIC). Die Missio canonica gilt zeitlich unbefristet.
(2) Zuständig für die Erteilung der vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung ist der Ortsordinarius der (Erz-)Diözese, in der der für die Erteilung von katholischem Religionsunterricht qualifizierende Studienabschluss erworben wurde, oder der (Erz-)Diözese, in der die für die Religionslehrkraft zuständige Lehrerausbildungsinstitution liegt.
(3) Abweichend von Abs. 2 ist für die Erteilung der vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung bei einer berufsbegleitenden Weiterbildung von Religionslehrkräften mit dem Ziel, das staatliche Lehramt für katholischen Religionsunterricht zu erwerben, die (Erz-)Diözese zuständig, in der die Religionslehrkraft tätig ist.
(4) Die Missio canonica oder vorläufige kirchliche Bevollmächtigung wird von anderen (Erz-)Diözesen anerkannt. Sofern eine Religionslehrkraft an einer Schule Religionsunterricht erteilt, die nicht auf dem Gebiet der (Erz-)Diözese liegt, die die Missio canonica oder vorläufige kirchliche Bevollmächtigung erteilt hat, meldet die zugezogene Religionslehrkraft den Wechsel und den Unterrichtseinsatz an die zuständige Behörde der aufnehmenden (Erz-)Diözese. Die Urkunden zur Missio canonica bzw. vorläufige kirchliche Bevollmächtigung werden neu ausgestellt, wenn der zuständigen Behörde der aufnehmenden (Erz-)Diözese seitens der abgebenden (Erz-) Diözese die Gültigkeit der Missio canonica bzw. der vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung bestätigt wird und die Kirchenzugehörigkeit der zugezogenen Religionslehrkraft festgestellt wurde.
§ 3 Voraussetzungen für die Verleihung der Missio canonica
(1) Die Missio canonica wird bei Vorliegen folgender Voraussetzungen erteilt:
1. ein erfolgreicher Abschluss der für die Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen qualifizierenden Studien der katholischen Theologie.
2. ein erfolgreicher Abschluss des Vorbereitungsdienstes oder einer anerkannten Qualifizierung.
3. die volle Eingliederung in die katholische Kirche durch die Initiationssakramente Taufe, Firmung und Eucharistie.
4. die Bereitschaft, im Rahmen des schulischen Bildungsauftrags den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche glaubwürdig zu erteilen.
5. die Bereitschaft, ein Zeugnis christlichen Lebens in Schule und Unterricht zu geben.
(2) Der Antrag wird unter Verwendung eines Formulars bei der kirchlichen Behörde gestellt. Dem Antrag sind beizufügen: 1. Zeugnisse und andere Unterlagen, aus denen das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ersichtlich ist, 2. eine persönliche Erklärung über die Bereitschaft zur Erteilung des Religionsunterrichts sowie zum christlichen Lebenszeugnis nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5, 3. der Studienbegleitbrief oder ein anderer geeigneter Nachweis der Teilnahme an den verpflichtenden Modulen des Mentorats am Studienort, 4. ein Referenzschreiben, erstellt von einer Person, die im kirchlichen Verkündigungsdienst tätig ist und nicht beruflich an der Ausbildung von Religionslehrkräften mitwirkt.
(3) Die kirchliche Behörde prüft den Antrag und empfiehlt dem Ortsordinarius die Erteilung oder Versagung der Missio canonica. Bevor die kirchliche Behörde empfiehlt, die Missio canonica zu versagen, gibt sie der Religionslehrkraft unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme; diese Frist kann auf Antrag der Religionslehrkraft verlängert werden. Soll die Missio canonica nach Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 oder 5 versagt werden, leitet die Behörde den Vorgang an die Missio-Kommission weiter. Die Religionslehrkraft kann den Antrag jederzeit zurücknehmen.
(4) Sind die Voraussetzungen nach Abs. 1 vollständig erfüllt, entsendet der Ortsordinarius die Religionslehrkraft mit der Missio canonica. Hierüber erhält die Religionslehrkraft eine Urkunde. Diese wird in der Regel durch den Ortsordinarius oder eine von diesem beauftragte Person im Rahmen eines Gottesdienstes überreicht.
§ 4 Verleihung der vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung
(1) Die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung wird zeitlich befristet – in der Regel für die Dauer des Vorbereitungsdienstes – auf Antrag verliehen. Sie wird bei Vorliegen folgender Voraussetzungen erteilt:
1. ein erfolgreicher Abschluss der für die Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen qualifizierenden Studien der katholischen Theologie,
2. die volle Eingliederung in die katholische Kirche durch die Initiationssakramente Taufe, Firmung und Eucharistie,
3. die Bereitschaft, im Rahmen des schulischen Bildungsauftrags den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche glaubwürdig zu erteilen
4. die Bereitschaft, ein Zeugnis christlichen Lebens in Schule und Unterricht zu geben
Liegen die Voraussetzungen nach Satz 1 nicht vor, wird die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung versagt.
(2) Der Antrag wird unter Verwendung eines Formulars bei der kirchlichen Behörde gestellt. Dem Antrag sind beizufügen: 1. Zeugnisse und andere Unterlagen, aus denen das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 ersichtlich ist 2. eine persönliche Erklärung über die Bereitschaft zur Erteilung des Religionsunterrichts sowie zum christlichen Lebenszeugnis nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 3. der Studienbegleitbrief oder ein anderer geeigneter Nachweis der Teilnahme an den verpflichtenden Modulen des Mentorats am Studienort
(3) Bei der Erteilung einer vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung für die Dauer einer Weiterbildung kann von § 4 Abs. 1 Nr. 1 sowie, soweit betroffen, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 abgewichen werden.
(4) Die kirchliche Behörde prüft den Antrag und empfiehlt dem Ortsordinarius die Erteilung oder Versagung der vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung. Vor einer Versagung der vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung ist die Religionslehrkraft zu den maßgeblichen Gründen anzuhören. § 3 Abs. 3 Satz 3 gilt entsprechend.
(5) Über die Verleihung der vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung erhält die Religionslehrkraft eine Urkunde. Diese kann persönlich überreicht oder auf dem Postweg übersandt werden.
(6) Die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung kann auf Antrag der Religionslehrkraft verlängert werden.
§ 5 Erlöschen der Missio canonica und der vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung
(1) Die Missio canonica erlischt durch Entzug oder Verzicht.
(2) Die Missio canonica und die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung können nach § 8 entzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr vollständig erfüllt sind. Zuständig für den Entzug ist der Ortsordinarius, der die Missio canonica oder die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung erteilt hat. Der Entzug der Missio canonica erfolgt auf Empfehlung der Missio-Kommission.
(3) Bevor die Missio-Kommission einbezogen wird, ist die kirchliche Behörde verpflichtet, der Religionslehrkraft den für den beabsichtigten Entzug maßgeblichen Sachverhalt schriftlich mitzuteilen, diesen in einem Gespräch mit der Religionslehrkraft zu erörtern und ihr ein Angebot seelsorglicher oder supervisorischer Unterstützung zu machen. Außerdem ist der Religionslehrkraft unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu geben. Vor einem Entzug der vorläufigen kirchlichen Bevollmächtigung ist die Religionslehrkraft anzuhören.
(4) Die Religionslehrkraft kann gegenüber dem nach Abs. 2 Satz 2 zuständigen Ortsordinarius den Verzicht auf die Missio canonica oder die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung erklären. Der Verzicht bedarf der Schriftform; einer Annahme durch den Ortsordinarius bedarf er nicht.
(5) Die Religionslehrkraft kann im Falle einer Krise in ihrer Glaubensbiographie oder hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zur Kirche, die zu gravierenden Differenzen mit Lehre oder Grundsätzen der Kirche führt, in Rücksprache mit der zuständigen kirchlichen Behörde die Missio canonica auf selbstbestimmte Zeit aussetzen. In diesem Fall verpflichtet sich die zuständige (Erz-)Diözese, Seelsorge, Beratung oder geistliche Begleitung der Religionslehrkraft bereitzustellen, wenn diese es wünscht. Die Neubeauftragung zur Erteilung des Religionsunterrichts wird auf Antrag der Religionslehrkraft durch die zuständige kirchliche Behörde nach analoger Prüfung der für die Erteilung in § 3 Abs. 1 oder § 4 Abs. 1 genannten Voraussetzung erteilt.
(6) Ist die Missio canonica oder die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung erloschen, darf die Religionslehrkraft keinen katholischen Religionsunterricht erteilen. Ist die Religionslehrkraft an einer öffentlichen Schule, informiert die kirchliche Behörde die staatliche Schulaufsichtsbehörde.
§ 6 Einrichtung, Aufgaben und Zusammensetzung der interdiözesanen Missio-Kommission
(1) Durch die Ortsordinarien der (Erz-)Diözesen Berlin, Hamburg, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg wird eine gemeinsame interdiözesane Missio-Kommission eingerichtet.
(2) Die interdiözesane Missio-Kommission wird tätig, wenn beabsichtigt ist, einen Antrag auf Verleihung der Missio canonica nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 abzulehnen oder die Missio canonica oder die vorläufige kirchliche Bevollmächtigung zu entziehen.
(3) Der Missio-Kommission gehören an: 1. Ein/e Vertreter/in der betroffenen (erz-)bischöflichen Behörde 2. drei Religionslehrkräfte aus unterschiedlichen Schulstufen 3. ein/e theologische/r Hochschullehrer/in 4. ein/e Jurist/in mit der Befähigung zum deutschen Richteramt, der/die nicht im kirchlichen Dienst angestellt ist
(4) Die Vorschlagsliste wird den Ortsordinarien mit der Bitte um Genehmigung vorgelegt. Wird die Genehmigung von wenigstens einem der Ortsordinarien nicht erteilt, ist eine neue Vorschlagsliste zu erstellen. Liegen sämtliche Genehmigungen vor, beginnt die fünfjährige Amtszeit der Kommission. Weitere Amtszeiten sind möglich.
(5) Die Mitglieder mit Ausnahme der Vertreter/der Vertreterinnen der (erz-)bischöflichen Behörden übernehmen diese Tätigkeit ehrenamtlich.
(6) Die Kommission wählt aus ihrer Mitter eine/n Vorsitzende/n.
(7) Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung.
§ 7 Arbeitsweise der Missio-Kommission
(1) Die Missio-Kommission tritt schulstufenbezogen zusammen. Im konkreten Einzelfall setzt sie sich zusammen aus:
1. dem/der Vertreter/in der betroffenen (erz-)bischöflichen Behörde
2. der Religionslehrkraft der Schulstufe, für welche im konkreten Einzelfall die Missio canonica beantragt oder für welche die Missio canonica, deren Entzug beabsichtigt ist, erteilt wurde
3. dem/der theologische Hochschullehrer/in
4. dem/der Jurist/in
(2) Die Missio-Kommission ist nur bei Anwesenheit aller vier Mitglieder beschlussfähig. Sie tagt, auch soweit eine Anhörung der betroffenen Religionslehrkraft stattfindet, nicht öffentlich.
(3) Wird ein Mitglied der Missio-Kommission wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so entscheidet die Missio-Kommission unter Ausschluss des abgelehnten Mitglieds; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Ersatzmitglieder werden für die Entscheidung nach Satz 1 nicht hinzugezogen; Abs. 2 Satz 1 findet keine Anwendung. Die Ablehnung ist schriftlich zu begründen. Das abgelehnte Mitglied hat sich dazu zu äußern. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.
(4) Erklärt sich ein Mitglied, das nicht abgelehnt ist, selbst für befangen, gilt Abs. 3 entsprechend.
§ 8 Verfahren bei Einbeziehung der Missio-Kommission
(1) Die kirchliche Behörde, in deren Zuständigkeit die betroffene Religionslehrkraft tätig ist, leitet den Vorgang unter Beifügung der schriftlichen Stellungnahme der Religionslehrkraft an die Missio-Kommission weiter. Hält diese nach einer vorläufigen Prüfung die Versagung oder den Entzug der Missio canonica für angezeigt, gibt sie der Religionslehrkraft erneut Gelegenheit, binnen einer angemessenen Frist eine schriftliche Stellungnahme abzugeben; diese Frist kann auf Antrag der Religionslehrkraft durch den Vorsitzenden der Missio-Kommission verlängert werden. Auf Antrag eines ihrer Mitglieder oder der Religionslehrkraft führt die Missio-Kommission eine mündliche Anhörung durch.
(2) Unbeschadet des Abs. 1 Satz 3 bedient sich die Missio-Kommission der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere Auskünfte jeder Art einholen, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen sowie Urkunden und Akten beiziehen.
(3) Die Missio-Kommission übersendet dem für den Einsatzort der Religionslehrkraft zuständigen Ortsordinarius ein schriftliches Votum mit einer Empfehlung für dessen Entscheidung. Die Beschlussfassung über das Votum nach Satz 1 erfolgt durch Mehrheitsentscheidung; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der/des Vorsitzenden. Überstimmte Kommissionsmitglieder können dem Votum ein Minderheitsvotum beifügen.
(4) Die Entscheidung des Ortsordinarius wird der Religionslehrkraft schriftlich mit Begründung zugestellt. Innerhalb von zehn Tagen kann die Religionslehrkraft schriftlich die Abänderung oder Aufhebung der Entscheidung in schriftlicher Form beantragen (vgl. can. 1734 § 2 CIC). Hat der Antrag nach Satz 2 keinen Erfolg, kann die Religionslehrkraft innerhalb von fünfzehn Tagen über den Ortsordinarius Beschwerde bei der zuständigen römischen Kongregation einlegen (vgl. can. 1732–1739 CIC).
(5) Der Ortsordinarius kann aus schwerwiegenden und dringenden Gründen die Missio canonica während des Verfahrens nach Abs. 1 bis 4 bis zur endgültigen Entscheidung vorläufig entziehen. Zuvor ist der Religionslehrkraft Gelegenheit zu geben, unverzüglich eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar. § 5 Abs. 5 gilt entsprechend.
(6) Die Religionslehrkraft kann zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens einen rechtlichen Beistand hinzuziehen.
Berlin, den 29.08.2023 B 01609/2023 ZS.8 jm
Dr. Heiner Koch Erzbischof von Berlin
Dr. Gregor Klapczynski Notar der Kurie